„Mit diesen Personalentscheidungen wird kein einziges Problem gelöst.“

Jürgen Kerner, Zweiter Vorsitzender der IG Metall und stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der thyssenkrupp AG, zur heutigen Aufsichtsratssitzung der thyssenkrupp Steel Europe AG:

„Die Ablösung der drei erfahrenen Stahlvorstände wirft uns meilenweit zurück. Mit diesen Personalentscheidungen wird vom Stillstand bei den eigentlichen Problemen abgelenkt. Das ist unternehmensschädigend. Gut ein Jahr nach dem Amtsantritt von Herrn Lopez als CEO stehen wir vor einem Scherbenhaufen. Die Vertreter der Anteilseigner auf Seiten der AG müssen sich fragen, inwieweit sie zu dieser Eskalation beigetragen haben.

Kein einziges Problem ist mit dieser Eskalation gelöst. Im Gegenteil: Alles verschiebt sich, Lösungsansätze werden erschwert. Ich stelle fest: Das IDW6-Gutachten ist noch nicht beauftragt. Die Finanzierung einer Restrukturierung ist nicht geklärt. Ein Businessplan für eine Verselbstständigung des Stahls ist nicht geeint. Die Beteiligung von Herrn Kretinsky? Unklar. Das Kostenmanagement für den Bau der DRI-Anlage? Mir nicht bekannt. Eine mögliche Verselbstständigung der HKM? Funkstille.

Thyssenkrupp Steel befindet sich in der vielleicht größten Krise seiner Geschichte. Es geht um alles oder nichts. Was wir jetzt dringend bräuchten, ist Ruhe, Kontinuität und ein erfahrenes Management, das sich mit höchster Konzentration den immensen Herausforderungen widmet. Was wir stattdessen haben, ist maximales Chaos: Der erfahrene Stahlvorstand in einer kopflosen Aktion aus dem Unternehmen gedrängt, der Stahl-Aufsichtsrat düpiert, die Politik hoch nervös. Der Wert des Unternehmens unter Herrn Lopez hat sich halbiert. Zehntausende Mitarbeiter sind zutiefst verunsichert.

So geht es nicht weiter. Ich appelliere an Herrn Lopez und die Anteilseigner, endlich zur Vernunft zu kommen. Es steht zu viel auf dem Spiel. Ich erwarte eine Rückkehr zu den wirklichen Problemen und zu Lösungsansätzen, die breit getragen werden.

Ich danke Sigmar Gabriel und Detlef Wetzel für ihr großes Engagement. Beide haben in den letzten Monaten versucht, Lösungen zu finden, die allen gerecht werden.

Die Arbeitnehmerseite des Aufsichtsrats der thyssenkrupp AG beantragt zur Klärung der aktuellen Situation eine Sondersitzung des Aufsichtsrates. Die Beschäftigten brauchen jetzt Klarheit. Sie haben ein Recht darauf zu erfahren, wie es jetzt weitergeht.“

Fotos: Tim Dommermuth

ByIGM