Tarif: Tarifvertragsgesetz (TVG)
Tarifvertragsgesetz (TVG) vom 9. April 1949 (WiGBl. 1949, 55, 68),
in der Fassung vom 25. August 1969 (BGBl. I 1323),
zuletzt geändert durch Gesetz vom 29. Oktober 1974 (BGBl. I
2879)
§ 1
Inhalt und Form des Tarifvertrags
(1) Der Tarifvertrag regelt die Rechte und Pflichten der Tarifvertragsparteien
und enthält Rechtsnormen, die den Inhalt, den Abschluß
und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen sowie betriebliche
und betriebsverfassungsrechtliche Fragen ordnen können.
(2) Tarifverträge bedürfen der Schriftform.
§ 2
Tarifvertragsparteien
(1) Tarifvertragsparteien sind Gewerkschaften, einzelne Arbeitgeber
sowie Vereinigungen von Arbeitgebern.
(2) Zusammenschlüsse von Gewerkschaften und von Vereinigungen
von Arbeitgebern (Spit-zenorganisationen) können im Namen der
ihnen angeschlossenen Verbände Tarifverträge abschließen,
wenn sie eine entsprechende Vollmacht haben.
(3) Spitzenorganisationen können selbst Parteien eines Tarifvertrages
sein, wenn der Abschluß von Tarifverträgen zu ihren satzungsgemäßen
Aufgaben gehört.
(4) In den Fällen der Absätze 2 und 3 haften sowohl die
Spitzenorganisationen wie die ihnen angeschlossenen Verbände
für die Erfüllung der gegenseitigen Verpflichtungen der
Tarifvertragsparteien.
§ 3
Tarifgebundenheit
(1) Tarifgebunden sind die Mitglieder der Tarifvertragsparteien
und der Arbeitgeber, der selbst Partei des Tarifvertrages ist.
(2) Rechtsnormen des Tarifvertrages über betriebliche und
betriebsverfassungsrechtliche Fragen gelten für alle Betriebe,
deren Arbeitgeber tarifgebunden ist.
(3) Die Tarifgebundenheit bleibt bestehen, bis der Tarifvertrag
endet.
§ 4
Wirkung der Rechtsnormen
(1) Die Rechtsnormen des Tarifvertrages, die den Inhalt, den Abschluß
oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, gelten
unmittelbar und zwingend zwischen den beiderseits Tarifgebundenen,
die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages fallen. Diese Vorschrift
gilt entsprechend für Rechtsnormen des Tarifvertrages über
betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen.
(2) Sind im Tarifvertrag gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien
vorgesehen und geregelt (Lohnausgleichskassen, Urlaubskassen usw.),
so gelten diese Regelungen auch unmittelbar und zwingend für
die Satzung dieser Einrichtung und das Verhältnis der Einrichtung
zu den tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern.
(3) Abweichende Abmachungen sind nur zulässig, soweit sie
durch den Tarifvertrag gestattet sind oder eine Änderung der
Regelungen zugunsten des Arbeitnehmers enthalten.
(4) Ein Verzicht auf entstandene tarifliche Rechte ist nur in einem
von den Tarifvertragsparteien gebilligten Vergleich zulässig.
Die Verwirkung von tariflichen Rechten ist ausgeschlossen. Ausschlußfristen
für die Geltendmachung tariflicher Rechte können nur im
Tarifvertrag vereinbart werden.
(5) Nach Ablauf des Tarifvertrages gelten seine Rechtsnormen weiter,
bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden.
§ 5
Allgemeinverbindlichkeit
(1) Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung kann einen
Tarifvertrag im Einvernehmen mit einem aus je drei Vertretern der
Spitzenorganisationen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer bestehenden
Ausschuß auf Antrag einer Tarifvertragspartei für allgemeinverbindlich
erklären, wenn
-
die tarifgebundenen Arbeitgeber nicht weniger als 50 vom Hundert
der unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages fallenden Arbeitnehmer
beschäftigen und
-
die Allgemeinverbindlicherklärung im öffentlichen
Interesse geboten erscheint.
Von den Voraussetzungen der Nummern 1 und 2 kann abgesehen werden,
wenn die Allgemeinverbindlicherklärung zur Behebung eines sozialen
Notstandes erforderlich erscheint.
(2) Vor der Entscheidung über den Antrag ist Arbeitgebern
und Arbeitnehmern, die von der Allgemeinverbindlicherklärung
betroffen werden würden, den am Ausgang des Verfahrens interessierten
Gewerkschaften und Vereinigungen der Arbeitgeber sowie den obersten
Arbeitsbehörden der Länder, auf deren Bereich sich der
Tarifvertrag erstreckt, Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme
sowie zur Äußerung in einer mündlichen und öffentlichen
Verhandlung zu geben.
(3) Erhebt die oberste Arbeitsbehörde eines beteiligten Landes
Einspruch gegen die beantragte Allgemeinverbindlicherklärung,
so kann der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung dem
Antrag nur mit Zustimmung der Bundesregierung stattgeben.
(4) Mit der Allgemeinverbindlicherklärung erfassen die Rechtsnormen
des Tarifvertrages in seinem Geltungsbereich auch die bisher nicht
tarifgebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer.
(5) Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung kann die
Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrages im Einvernehmen
mit dem in Absatz 1 genannten Ausschuß aufheben, wenn die
Aufhebung im öffentlichen Interesse geboten erscheint. Die
Absätze 2 und 3 gelten entsprechend. Im übrigen endet
die Allgemeinverbindlichkeit eines Tarifvertrages mit dessen Ablauf.
(6) Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung kann der
obersten Arbeitsbehörde eines Landes für einzelne Fälle
das Recht zur Allgemeinverbindlicherklärung sowie zur Aufhebung
der Allgemeinverbindlichkeit übertragen.
(7) Die Allgemeinverbindlicherklärung wie die Aufhebung der
Allgemeinverbindlichkeit bedürfen der öffentlichen Bekanntmachung.
§ 6
Tarifregister
Bei dem Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung wird ein
Tarifregister geführt, in das der Abschluß, die Änderung
und die Aufhebung der Tarifverträge sowie der Beginn und die
Beendigung der Allgemeinverbindlichkeit eingetragen werden.
§ 7
Übersendungs- und Mitteilungspflicht
(1) Die Tarifvertragsparteien sind verpflichtet, dem Bundesminister
für Arbeit und Sozialordnung innerhalb eines Monats nach Abschluß
kostenfrei die Urschrift oder eine beglaubigte Abschrift sowie zwei
weitere Abschriften eines jeden Tarifvertrages und seiner Änderungen
zu übersenden; sie haben ihm das Außerkrafttreten eines
jeden Tarifvertrages innerhalb eines Monats mitzuteilen. Sie sind
ferner verpflichtet, den obersten Arbeitsbehörden der Länder,
auf deren Bereich sich der Tarifvertrag erstreckt, innerhalb eines
Monats nach Abschluß kostenfrei je drei Abschriften des Tarifvertrages
und seiner Änderungen zu übersenden und auch das Außerkrafttreten
des Tarifvertrages innerhalb eines Monats mitzuteilen. Erfüllt
eine Tarifvertragspartei die Verpflichtungen, so werden die übrigen
Tarifvertragsparteien davon befreit.
(2) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig
entgegen Absatz 1 einer Übersendungs- oder Mitteilungspflicht
nicht, unrichtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig
genügt. Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße
geahndet werden.
(3) Verwaltungsbehörde im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 1 des
Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten ist die Behörde, der
gegenüber die Pflicht nach Absatz 1 zu erfüllen ist.
§ 8
Bekanntgabe des Tarifvertrags
Die Arbeitgeber sind verpflichtet, die für ihren Betrieb maßgebenden
Tarifverträge an geeigneter Stelle im Betrieb auszulegen.
§ 9Feststellung der Rechtswirksamkeit
Rechtskräftige Entscheidungen der Gerichte für Arbeitssachen,
die in Rechtsstreitigkeiten zwischen Tarifvertragsparteien aus dem
Tarifvertrag oder über das Bestehen oder Nichtbestehen des
Tarifvertrages ergangen sind, sind in Rechtsstreitigkeiten zwischen
tarifgebundenen Parteien sowie zwischen diesen und Dritten für
die Gerichte und Schiedsgerichte bindend.
§ 10
Tarifvertrag und Tarifordnungen
(1) Mit dem Inkrafttreten eines Tarifvertrages treten Tarifordnungen
und Anordnungen auf Grund der Verordnung über die Lohngestaltung
vom 25. Juni 1938 (RGBI. I S. 691) und ihrer Durchführungsverordnung
vom 23. April 1941 (RGBI. I S. 222), die für den Geltungsbereich
des Tarifvertrages oder Teile desselben erlassen worden sind, außer
Kraft, mit Ausnahme solcher Bestimmungen, die durch den Tarifvertrag
nicht geregelt worden sind.
(2) Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung kann Tarifordnungen
und die in Absatz 1 bezeichneten Anordnungen aufheben; die
Aufhebung bedarf der öffentlichen Bekanntmachung.
§ 11
Durchführungsbestimmungen
Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung kann unter
Mitwirkung der Spitzenorganisationen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer
die zur Durchführung des Gesetzes erforderlichen Verordnungen
erlassen, insbesondere über
-
die Errichtung und die Führung des Tarifregisters und
des Tarifarchivs;
-
das Verfahren bei der Allgemeinverbindlicherklärung von
Tarifverträgen und der Aufhebung von Tarifordnungen und
Anordnungen, die öffentlichen Bekanntmachungen bei der
Antragstellung, der Erklärung und Beendigung der Allgemeinverbindlichkeit
und der Aufhebung von Tarifordnungen und Anordnungen sowie die
hierdurch entstehenden Kosten;
-
den in § 5 genannten Ausschuß.
§ 12
Spitzenorganisationen
Spitzenorganisationen im Sinne dieses Gesetzes sind - unbeschadet
der Regelung in § 2 - diejenigen Zusammenschlüsse von Gewerkschaften
oder von Arbeitgebervereinigungen, die für die Vertretung der
Arbeitnehmer- oder der Arbeitgeberinteressen im Arbeitsleben des
Bundesgebietes wesentliche Bedeutung haben. Ihnen stehen gleich
Gewerkschaften und Arbeitgebervereinigungen, die keinem solchen
Zusammenschluß angehören, wenn sie die Voraussetzungen
des letzten Halbsatzes in Satz 1 erfüllen.
§ 12a
Arbeitnehmerähnliche Personen
(1) Die Vorschriften dieses Gesetzes gelten entsprechend
-
für Personen, die wirtschaftlich abhängig und vergleichbar
einem Arbeitnehmer sozial schutzbedürftig sind (arbeitnehmerähnliche
Personen), wenn sie auf Grund von Dienst- oder Werkverträgen
für andere Personen tätig sind, die geschuldeten Leistungen
persönlich und im wesentlichen ohne Mitarbeit von Arbeitnehmern
erbringen und
-
überwiegend für eine Person tätig sind oder
-
ihnen von einer Person im Durchschnitt mehr als die Hälfte
des Entgelts zusteht, das ihnen für ihre Erwerbstätigkeit
insgesamt zusteht; ist dies nicht voraussehbar, so sind für
die Berechnung, soweit im Tarifvertrag nichts anderes vereinbart
ist, jeweils die letzten sechs Monate, bei kürzerer Dauer
der Tätigkeit dieser Zeitraum, maßgebend,
-
für die in Nummer 1 genannten Personen, für die die
arbeitnehmerähnlichen Personen tätig sind, sowie für
die zwischen ihnen und den arbeitnehmerähnlichen Personen
durch Dienst- oder Werkverträge begründeten Rechtsverhältnisse.
(2) Mehrere Personen, für die arbeitnehmerähnliche Personen
tätig sind, gelten als eine Person, wenn diese mehreren Personen
nach der Art eines Konzerns (§ 18 des Aktiengesetzes) zusammengefaßt
sind oder zu einer zwischen ihnen bestehenden Organisationsgemeinschaft
oder nicht nur vorübergehenden Arbeitsgemeinschaft gehören.
(3) Die Absätze 1 und 2 finden auf Personen, die künstlerische,
schriftstellerische oder journalistische Leistungen erbringen, sowie
auf Personen, die an der Erbringung, insbesondere der technischen
Gestaltung solcher Leistungen unmittelbar mitwirken, auch dann Anwendung,
wenn ihnen abweichend von Absatz 1 Nr. 1 Buchstabe b erster Halbsatz
von einer Person im Durchschnitt mindestens ein Drittel des Entgelts
zusteht, das ihnen für ihre Erwerbstätigkeit insgesamt
zusteht.
(4) Die Vorschrift findet keine Anwendung auf Handelsvertreter
im Sinne des § 84 des Handelsgesetzbuchs.
§ 12b
Berlin-Klausel
(gegenstandslos)
§13
Inkrafttreten
(1) Dieses Gesetz tritt mit seiner Verkündung in Kraft.
(2) Tarifverträge, die vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes
abgeschlossen sind, unterliegen diesem Gesetz.
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